Die Entwicklung nach 1948

Mit der Übernahme der vollen Macht durch die Kommunisten im Jahr 1948 wurden die Austreibungen eingestellt. Zur Schande des Beneš-Regimes muß gesagt werden, daß jenes Minimum an Lebensmöglichkeit und Bewegungsfreiheit, das die als Arbeitskräfte zurückgehaltenen rund 200.000 Deutschen im Laufe der Zeit erhielten, ihnen von den Kommunisten gewährt wurde, während die sich noch immer demokratisch nennende Tschechei der Jahre vor 1948 nicht einmal das zugestand. *185)

Im Jahr 1950, etwa fünf Jahre nach Wiederherstellung des tschechoslowakischen Staates und mehr als drei Jahre nach Abschluß der "wilden" und organisierten Vertreibung waren der SSR 165.117 Bürger deutscher Nationalität (159.138 in den Sudetenländern) verblieben. *186)

Nach dem Zweiten Weltkrieg betrieb die tschechoslowakische Regierung eine assimilatorische Minderheitenpolitik, die die deutschen Muttersprachler als Individuen (bis 1953) und als Angehöhrige einer sprachlichen Minderheit eindeutig diskriminierte. Erst im Jahre 1953 wurden den verbliebenen Deutschen ausnahmslos die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft zuerkannt, einen Minderheitenstatus räumte man den Deutschen jedoch nicht ein, bis 1968 wurde die Existenz einer deutschen Minderheit gar geleugnet. *187)

Die deutschen Heimatvertriebenen, unter ihnen auch die Sudetendeutschen, haben sich in den Nachkriegsjahren am Wiederaufbau Deutschlands beteiligt und bereits 1950 in der Charta der deutschen Heimatvertriebenen ihren Gewaltverzicht erklärt:

Wir rufen Völker und Menschen auf,
die guten Willens sind,
Hand anzulegen ans Werk,
damit aus Schuld, Unglück, Leid,
Armut und Elend für uns alle
der Weg in eine bessere Zukunft
gefunden wird.

Im Jahr 1972 wurde zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der CSSR der Prager Vertrag geschlossen. Mit diesem Vertrag wurden unter der sozialliberalen Koalition Ansprüche auf Grenzrevision aufgegeben und die völkerrechtliche Normalisierung im Verhältnis zur CSSR eingeleitet. *188)

Insbesondere nach dem Fall des Eisernen Vorhangs kam es zu zahlreichen Kontakten zwischen Sudetendeutschen und Tschechen, in dem Bemühen, die gegenseitigen Beziehungen zu normalisieren. Im Jahre 1997 wurde nach langen und schwierigen Verhandlungen die - besonders unter tschechischen Nationalisten und den Sudetendeutschen nicht unumstrittene - deutsch-tschechische Erklärung unterzeichnet. Von tschechischer Seite bestand während der Verhandlungen vor allem die Befürchtung, daß die Sudetendeutschen "massenhaft" ins Land kommen würden um ihr Eigentum zurückzufordern. Zudem tut man sich in der Tschechei nach wie vor mit der eigenen Geschichte der Jahre 1945 bis 1948 schwer. Die Sudetendeutschen bemängeln an der Erklärung insbesonders, daß:

Hinzu kommt, daß die Sudetendeutschen in Österreich erklärt haben, daß die Erklärung für sie "weder bindend noch akzeptabel" sei. Sudetendeutsche, die heute Staatsbürger eines anderen Staates sind, sprechen der Bundesregierung gar das Recht ab, "im Namen aller Sudetendeutschen und deren Nachkommen, die nach der grausamen Vertreibung 1945/46 ehrbare Staatsbürger der Schweiz, Schwedens, Kanadas, Österreichs, Hollands, Amerikas, Englands und vieler anderer Staaten dieser Welt geworden sind, zu sprechen und zu entscheiden." *195)

An dieser Stelle muß allerdings darauf hingewiesen werden, daß die übergroße Mehrheit der Sudetendeutschen Staatsbürger Deutschlands sind. Viele Sudetendeutsche sehen trotz dieser Mängel auch positive Bestandteile in dieser Erklärung, z.B. daß:

Für die Zukunft erwarten die Abgeordneten des Bundestages, die der Erklärung wegen ihrer Mängel nicht zugestimmt haben, folgendes:

Es ist viel darüber geredet worden, daß die Erklärung alte Wunden wieder aufreisen würde und den vielfach bereits vorher in Gang gekommenen Initiativen Schaden zufügen könnte. Ob dem so ist und wie die deutsch-tschechische Erklärung zu werten ist, darüber möge sich jeder sein eigenes Urteil bilden. Otto von Habsburg schrieb in seinem Artikel "Tschechen und Deutsche" hierzu folgendes: "Verhandlungen von Regierungen, die über die Köpfe der Betroffenen hinweggehen, werden uns nicht weiterbringen. Wirklich hilfreich ist dagegen eine gründliche Beschäftigung der Völker mit ihrer eigenen Geschichte - die man nicht in zwei, noch dazu sehr einseitige, Paragraphen pressen kann - viele Begegnungen und gegenseitiges Kennenlernen. Bei diesem Kennenlernen können die Tschechen schnell feststellen, daß die Sudetendeutschen mitnichten jene reaktionären Finsterlinge sind, als die sie in der tschechischen Presse jahrzehntelang beschrieben wurden. Umgekehrt können die Deutschen erfahren, daß bei weitem nicht alle Tschechen die Sudetendeutschen ablehnen, fürchten oder gar hassen." *199)


*185) vgl. Franzel, Emil: a.a.O., S. 413
*186) vgl. Born, J.; Dickgießer, S.: Deutsche Minderheiten. Institut für deutsche Sprache im Auftrag des Auswärtigen Amtes, Remscheid 1989, S. 218
*187) vgl. ebd., S. 221
*188) vgl. Geiss, I.: a.a.O., S. 183
*189) o.V.: Klare Verträge - gute Feunde!, in: Sudetendeutsche Zeitung, 3/1997, Titelseite
*190) o.V.: SL Österreich: Niederlage für das Recht, in: Sudetendeutsche Zeitung, 4/1997, Titelseite
*191) Habsburg, O. v.: Tschechen und Deutsche, in: Sudetendeutsche Zeitung, 3/1997, S. 2
*192) vgl. o.V.: Unwürdiges Schauspiel, in: Sudetendeutsche Zeitung, 8/1997, Titelseite
*193) vgl o.V.: Zur deutsch-tschechischen Erklärung, in: Sudetendeutsche Zeitung, 8/1997, S. 7
*194) vgl. o.V..: "Die tschechische Seite verurteilt nicht die Vertreibung als solche als Verbrechen", in: Sudetendeutsche Zeitung, 8/1997, S. 4
*195) Wildt, G.: Sudetendeutsche im Ausland wehren sich, in: Sudetendeutsche Zeitung, 7/1997, S. 5
*196) o.V.: "Die tschechische Seite ...", a.a.O., S. 4
*197) vgl. o.V.: Klare Verträge - gute Freunde!, a.a.O., Titelseite
*198) vgl. "Die tschechische Seite ...", a.a.O., S. 4
*199) Habsburg, O. v.: a.a.O., S. 2

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